BLOCKADE

In Moskauer Archiven hat Sergej Loznica diese beklemmenden Aufnahmen aus dem belagerten Leningrad ausgegraben und zu einem unvergleichlichen Dokumentarfilm montiert: Denkbar weit von jeder „Wochenschau“-Dramaturgie entfernt, zeigen sie in fast gespenstischer Ruhe Szenen aus dem Leben und Sterben in einer belagerten Stadt. Wir sehen die wie entseelten Straßen, Hungernde bei der Essensausgabe, Tote am Straßenrand, Bombenangriffe – den stoischen Überlebenskampf einer Stadt und ihrer Bewohner. Die ursprünglich stummen, mit einer subtilen Tonspur unterlegten Episoden scheinen sich von den historischen Umständen abzulösen, als erzählten sie die Umrisse einer Geschichte aus einem gegenwärtigen Niemandsland. Vor der Vorführung wird der renommierte Übersetzer Peter Urban eine Auswahl seiner Übertragungen von Gedichten Gennadij Gors (1907-1981) lesen. Während der Blockade hielt Gor das Leiden in der belagerten Stadt in einem Zyklus von über 90 Poemen in klassischen Metren und schockierenden Reimen fest.