Wiesbaden/Frankfurt, 28. Februar 2024
Im vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain geförderten Programm Cinema Archipelago stehen in diesem Jahr die (Film-)Kulturen von Kosovo und Albanien sowie der Westbalkanländer insgesamt im Mittelpunkt. Damit zielt goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films sowohl auf ein deutsches Publikum als auch auf diverse Communities in der Region. Die Zielgruppe an Menschen mit einem Migrationshintergrund aus den Westbalkanstaaten in Deutschland ist schwer zu beziffern und sehr heterogen. Laut Mikrozensus von 2012 waren es damals insgesamt etwa 1,58 Millionen Menschen (darunter Kroatien: 368.000, Kosovo: 339.000, Serbien: 301.000, Bosnien und Herzegowina: 253.000, EJR Mazedonien: 121.000). Dazu gehören ehemalige Gastarbeiter:innen, Kriegsflüchtlinge und Studierende ebenso wie Künstler:innen und Filmemacher:innen.
Albanien und Kosovo im Fokus
Die beiden kleinen Filmländer Albanien und Kosovo zeichnen sich durch eine eng miteinander verwobene Geschichte aus. Seit etwa einem Jahrzehnt feiern Filme aus Kosovo regelmäßig große Erfolge in der internationalen Festivallandschaft, aber da der Staat nicht universell anerkannt wird, sind die Finanzierungsmöglichkeiten und die Bewegungsfreiheit von Filmschaffenden eingeschränkt. Blerta Bashollis HIVE (2021), wurde für den Oscar nominiert und feierte auch in den deutschen Kinos große Erfolge. Weitere Filme liefen in Cannes und Venedig. Doch oft erhalten die Regisseur:innen der betreffenden Filme für bestimmte Länder, wie Spanien, kein Visum und können ihre Arbeit dort dann nicht persönlich vorstellen. Kosovo ist kein Mitglied europäischer Förderprogramme und kann auch nicht auf osteuropäische Unterstützung zählen. Dennoch behauptet sich der Staat kulturell. Auffallend ist auch, dass die meisten Spielfilme der vergangenen zehn Jahre von Frauen gedreht wurden und viele davon gesellschaftliche Tabuthemen wie Frauenrechte, Sexualität und LGBTQ-Themen behandeln.
Die albanische Sprache und Kultur sind für Kosovo immer prägend gewesen – deshalb zeigt goEast 2024 eine Auswahl identitätsstiftender, albanischsprachiger Filme aus den Archiven von Kosovo und Albanien. Die Filme führen durch diverse Etappen der Geschichte: vom ehemaligen Jugoslawien und der Hodscha-Diktatur, bis zum Kosovo-Krieg in die heutige Zeit und zeigen, wie sich die Gesellschaft in den beiden Ländern weiterentwickelte und mit aktuellen Themen auseinandersetzte. In diesem Kontext zu sehen sind DASHUR ARMIK / DEAR ENEMY (ALB, FRA, DEU 2004) von Gjergj Xhuvani, ERA DHE LISI (YUG 1979) und 117 (YUG 1976) von Besim Sahatciu und THE GUARDIAN (KOS 2010) von Antoneta Kastrati.
Außerdem werden neuere albanische Filme wie I LOVE YOU MORE (KOS, ALB 2023) von Erblin Nushi, NË KËRKIM TË VENERËS / LOOKING FOR VENERA (KOS 2021) von Norika Sefa, DRUMS OF RESISTANCE (KOS 2016) von Mathieu Jouffre, DITA ZË FILL / DAYBREAK (ALB 2017) von Gentian Koçi, EDHE NJË DITË / ANOTHER DAY (ALB 2023) von Eneos Carka, und INTERREGNUM (ALB 2017) von Adrian Paci.
Das Programm wurde von Blerta Zeqiri, Direktorin des Kosovo Cinematography Center, und dem Albanian National Center of Cinematography (ANCC) zusammengestellt. Die Kurator:innen werden auch in Wiesbaden anwesend sein und gemeinsam mit Filmschaffenden aus beiden Ländern sowie Vertreter:innen der deutschen Filmwirtschaft an einer Diskussionsrunde über Filmerbe, Filmproduktion und die Zukunftsaussichten für internationale Kooperationen sprechen.
Yugoretten 2.0
Der selbstironische Name klingt geschmeidig wie Schokolade, hat aber einen harten Kern und eine raue Oberfläche – die Yugoretten von goEast sind zurück, nach einer erfolgreichen ersten Ausgabe im Jahr 2022. Das Balkan-Künstler:innennetzwerk wird – diesmal unter der Leitung des Kurator:innentrios Borjana Gaković, Mateja Meded und Boris Hadžija – für eine zweite Runde an Performances, Filmvorführungen, Networking-Events und Diskussionen sorgen. Hauptanliegen des Netzwerks ist es, Künstler:innen mit einer ex-jugoslawischen Familiengeschichte über ethnische Grenzen hinweg zusammenzubringen. Diesmal haben die Yugoretten – passend zu den Grundthemen von Cinema Archipelago – neue Schwerpunkte gesetzt: Frauen und queere Kultur, Migration sowie das Land Kosovo im Kontext des ehemaligen Jugoslawiens. Die Filmemacherinnen Vedrana Pribačić, Mirta Puhlovski und Kumjana Novaković werden gemeinsam mit den Kuratorinnen Gaby Babić und Borjana Gaković die Repräsentation von sexualisierter Gewalt und Vergewaltigung als Kriegsverbrechen in einem Diskussionspanel thematisieren. Die Produzentin Azra Djurdjević wird mit den Regisseur:innen Ena Sendijarević, Čarna Vučinić, Stefan Ivančić und Eroll Bilibani von DokuFest, zusammen mit Mateja Meded, über internationale Arbeit und Vernetzung in der Filmwelt aus der Perspektive der Diaspora sprechen. Das Thema Queerness in der postjugoslawischen Welt und insbesondere die Frage, in welchem Closet sich queeres Kino versteckt, und wie die Strategien der Befreiung aussehen, wird im Panel mit den Filmemacher:innen Dušan Zorić, Matija Gluščević, Viktor Zahtila und Hoda Taheri unter der Moderation von Boris Hadžija beleuchtet.