Wiesbaden/Frankfurt, 16. April 2025
Wie kam die Idee für goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films auf?
goEast war das Ergebnis verschiedener Faktoren. Ende der 1990er Jahre fanden die Beitrittsverhandlungen zur EU-Osterweiterung statt, die durchaus Ängste auf allen Seiten auslösten. Die Stimmung in der Gesellschaft war nicht positiv. Auch das Interesse an der Filmkunst Mittel- und Osteuropas war gesunken, es gab eben auch keine geförderten Filmreihen aus diesen Ländern mehr, wie sie das Deutsche Filminstitut bis Ende der 1980er Jahre, bis zum Ende des Kalten Krieges, veranstaltet hatte. Daran wollten wir anknüpfen und zugleich der Ablehnung, dem politischen Desinteresse, etwas entgegensetzen. Neugier, Kultur, Brückenbau, Aktuelles und Historisches, ein Filmfestival, mit allem Drum und Dran.
Wovon waren die Anfangsjahre geprägt?
Auf der kulturellen Seite von einer starken Aufbruchstimmung, auf der politischen, aber auch der wirtschaftlichen von Optimismus. Man konnte damals vom gemeinsamen europäischen Haus reden und Russland mit einbeziehen. Undenkbar heute.
Wer oder welche Institutionen haben Sie unterstützt? Welche Hürden musste man überwinden?
Es gab eben dieses Momentum durch die genannten Faktoren, und Hürden existierten nicht. Die Landeshauptstadt Wiesbaden, das Land Hessen, der Bund, aber auch die Gemeinnützige Hertie Stiftung, der Konzern von Leo Kirch, arte, 3Sat, Goethe-Institut und viele andere engagierten sich. Nicht, dass es keine Arbeit war, aber es ist in der Rückschau einfach erstaunlich, in welcher Geschwindigkeit wir die Finanzierung des neuen Festivals stemmen konnten.
Die Internationale und sehr erfolgreiche Theaterbiennale Neue Stücke aus Europa wurde irgendwann eingestellt. Drohte jemals goEast ein ähnliches Schicksal? Gelegentlich versucht sich die Meinung durchzusetzen, dass Europa eng genug zusammengewachsen ist und die Kulturvermittlungsarbeit nicht mehr so intensiv betrieben werden muss.
Ja, diese Meinung hat es durchaus gegeben, aber das ist eine Weile her. Selbst wenn man Europa eng, also in den Grenzen der jetzigen EU definiert, kann keine Rede davon sein, dass der mühsame Prozess des Zusammenwachsens beendet sei. Ganz zu schweigen von der geopolitischen Situation.
Wie haben Sie die Entwicklung des Festivals in den vergangenen 25 Jahren wahrgenommen?
goEast ist ein Spiegel, mehr als wir das damals ahnen konnten, ein Spiegel der Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa, des Verhältnisses zu Westeuropa und umgekehrt. Die ökonomische, kulturelle, politische Lage in den einzelnen Ländern, all das ist erfahrbar in den Filmen, Kooperationen, Begegnungen, Gesprächen bei goEast. Und sie prägt das Festival, von der Zuversicht des Anfangs über die Jahre der vermeintlichen Normalität bis zum Krieg. Bei der allerersten Ausgabe von goEast 2001 teilten sich den 1. Preis ein Film aus Polen und der einer ukrainischen Regisseurin, das Symposium war Russlands Konflikten im Kaukasus gewidmet, im Studierenden-Wettbewerb entschied sich das Publikum für die Filmhochschule von Prag und nicht die von Moskau. Das hat für uns heute eine andere Brisanz, und daher lastet die Verantwortung viel schwerer auf denjenigen, die das Festival heutzutage veranstalten.
Ihre Lieblingsmomente?
Spätabends im Festivalzentrum, jemand spielt Klavier, das anregende, aber entspannte Gespräch mit einem Regisseur und dann sowas wie ein Einvernehmen, dass doch noch alles gut gehen werde. Irgendwie. Hoffentlich.
Das DFF-Bild in der Leitungsebene ist von Frauen geprägt, das gilt auch für goEast. Ist das eine Selbstverständlichkeit oder ziemlich hart erkämpfter Boden?
Machen wir uns nichts vor: die Kultur ist ein Feld, das auch ohne Kampf Frauen überlassen werden kann. Aber es kommt hinzu, dass Frauen auf diesem Feld häufig besser sind. Seit 1997 steht eine Frau an der Spitze des DFF, eine Linie, die jetzt erfreulicherweise durch Christine Kopf weitergeführt wird, und seit 2001 steht eine Frau an der Spitze von goEast, wo jetzt der Stabwechsel von Heleen Gerritsen zu Rebecca Heiler stattfindet. Darüber bin ich froh, weil es eine hervorragende Voraussetzung für den weiteren Erfolg ist.
Welches ist Ihr liebstes Festival?
Das war lange Jahre Il Cinema Ritrovato in Bologna.
Worauf freuen Sie sich dieses Jahr besonders bei goEast?
Ich werde bei der 25. Ausgabe von goEast sicherlich an die Erstausgabe denken. Was auch einschließt, derer zu gedenken, die nicht mehr da sind, aber enorm bedeutend waren: Swetlana Sikora, die künstlerische Leiterin, und Hans-Joachim Schlegel, der Leiter des Symposiums. Sie hätten allerdings nie etwas dagegen gehabt, das Jubiläum zu feiern. Und darauf freue ich mich.
*Die Fragen hat Marta Moneva gestellt